Fahrradklima-Test 2024 – Interview mit den Vorsitzenden des ADFC Bielefeld
Ruth Hachmann und Bernd Diekmann, die beiden Vorsitzenden des ADFC Bielefeld, ordnen die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests für Bielefeld ein.
Der Fahrradklimatest (FKT) findet alle zwei Jahre statt und wird vom ADFC bundesweit durchgeführt. Ziel ist es, einen Überblick zu erhalten, wie das Fahrradklima vor Ort ist und Empfehlungen zu erarbeiten, die in der Politik zukünftig vor Ort umgesetzt werden können. Er ist auch eine Momentaufnahme, um zu schauen, was vor Ort gut läuft und was weniger. Die Ergebnisse des aktuellsten Fahrradklimatests 2024 liegen nun vor – die beiden Vorsitzenden Ruth und Bernd haben sie sich für Bielefeld unter bestimmten Fragestellungen genauer angeschaut und eingeordnet.
Frage: Gesamtnote 3,8 für Bielefeld im Fahrradklimatest 2024 – wie ordnet ihr diese (Schul-)Note im Vergleich zu den vergangenen Tests ein?
Bernd: Bielefeld hat sich in den vergangenen 13 Jahren in fast allen abgefragten Punkten etwas verbessert. Ausgenommen ist das Thema Fahrraddiebstahl. Aber die Gesamtnote hat sich leider nicht in dem Maße verbessert, wie wir vom ADFC das gerne gesehen hätten.
Ruth: Genau, im Vergleich zu den letzten FKTs ist ein leicht positiver Trend erkennbar, aber schwach. Es macht keine großen Sprünge. Im Vergleich zum letzten FKT von 2022 gab es leichte Verbesserungen im Bereich Infrastruktur, Radverkehrsnetz, Komfort beim Radfahren, Fahrrad- und Verkehrsklima sowie Stellenwert des Radfahrens. Sicherheit beim Radfahren hat sich kaum verändert. Was sich sehr positiv entwickelt hat, ist die Beteiligung am diesjährigen FKT.
Gutes Stichwort, wie viele Menschen haben teilgenommen? Was wissen wir über die Teilnehmenden?
Bernd: Mit 1.262 Teilnehmenden konnten wir in Bielefeld ein Rekordergebnis erzielen. Das zeigt uns, dass das Fahrradfahren immer populärer wird. Die Teilnahme ist anonym – nur Alter, Geschlecht und die Fahrleistung werden abgefragt. Also: ist jemand ein Vielfahrer oder ist er eher gelegentlich unterwegs. Insgesamt verraten uns die Daten, dass wir es vor allem mit Personen zu tun haben, die viel mit dem Rad unterwegs sind ...
Ruth: … und auch mit dem Auto. Die Befragten kennen also beide Perspektiven, was sehr wertvoll ist.
Was sind die Stärken und Schwächen in Bielefeld?
Ruth: Bielefeld punktet mit dem angebotenen Fahrrad-Verleihsystem – hier können andere Kommunen von Bielefeld lernen. Das Stadtzentrum ist gut erreichbar und viele Einbahnstraßen dürfen in Gegenrichtung befahren werden – das hoben die Befragten als Stärken hervor.
Bernd: Wir sind uns sicher, dass die Verbindung aus Stieghorst mit dem Ehlentruper Weg sowie die Bikelane auf der Artur-Ladebeck-Straße zu diesem positiven Ergebnis beigetragen haben. Hier zeigt sich, dass sich Projekte der Infrastruktur auszahlen und von den Radfahrenden auch sehr wertgeschätzt werden. Landesweit belegt Bielefeld in seiner Ortsgruppengröße den 4. Platz, gemeinsam mit Aachen. Münster ist hier mit seinem Platz 1 ungeschlagen und gilt bundesweit weiterhin als Vorbild für eine fahrradfreundliche Stadt.
Ruth: Damit der Abstand dahin möglichst kleiner wird – betrachten wir die Schwächen Bielefelds: Im alltäglichen Radverkehr ist die mangelnde Breite der Radwege oft eine Herausforderung. Genauso bemängelt werden Ampelschaltungen, die die Radfahrer oft lange stehen lassen.
Bernd: Dies trifft auch auf die Verkehrsführung an Baustellen zu. Diese wird kritisiert – und sie ist auch ein wirkliches Problem. Hier wird nicht mitgedacht, was für Radfahrende, und in der Folge wiederum für andere Verkehrsteilnehmer, sehr schnell sehr gefährlich werden kann. Was sich ebenso als Schwächen darstellt, sind Winterdienst, Oberflächen und Beschaffenheit der Radwege sowie Falschparker auf Radwegen und andere Konflikte mit Kfz. Diese Themen finden sich in ähnlicher Priorität auch in vielen anderen Kommunen wider.
Es gab ja auch ein Sonderthema in diesem Jahr, was es so noch nie gab. Wie ist hier vor Ort die Auswertung?
Ruth: Zusätzlich zu den Standardfragen wurden beim aktuellen Fahrradklimatest fünf Fragen zum Miteinander im Verkehr gestellt. Auf die Frage, ob alle Verkehrsteilnehmer rücksichtsvoll und respektvoll miteinander umgehen, gaben 70% der Teilnehmenden an, dies eher negativ wahrzunehmen. Das ist die Mehrheit! Hierbei wurden Konflikte zwischen Radfahrern von 65% der Teilnehmer eher als selten eingeschätzt. Für viele (76%) ist der Überholabstand von Autos unzureichend. Das Engagement von Politik und Verwaltung für die „Vision Zero“ wird von 54 % negativ und nur von 40 % positiv bewertet.
Das spiegelt sich auch in der Wichtigkeit der Themen wider: Am wichtigsten ist die Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer. Welche weiteren Aspekte wurden genannt und was ist vielleicht weniger wichtig?
Bernd: Hier sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache. Radfahrer wollen als Verkehrsteilnehmer akzeptiert werden und sicher ans Ziel kommen. Hierzu gehören neben besseren Radwegen auch komplette Radrouten ohne Unterbrechungen. Viele der befragten Radfahrerinnen und Radfahrer wünschen sich ein erhöhtes Sicherheitsgefühl und weniger Konflikte mit KFZ.
Ruth: Ja, am wichtigsten ist den Teilnehmenden die Akzeptanz als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer. Weniger wichtig waren den Befragten die Medienberichterstattung sowie Aktionen und Kampagnen und auch der Fahrradverleih. Ersteres scheint dafür zu sprechen, dass die Menschen Taten sehen wollen und nicht nur, dass gefordert oder darüber geredet wird. Letzteres scheint weniger wichtig, weil Bielefeld eben auch hier gut aufgestellt ist, wie wir es bei den Stärken aufgezeigt haben. Persönlich wird die Mehrheit mit dem eigenen Rad unterwegs sein.
Was wünscht ihr euch von der Lokalpolitk für die Radverkehrsinfrastruktur?
Bernd: Von der Lokalpolitik wünschen wir uns eine weitere Förderung des Radverkehrs durch Schaffung geeigneter Infrastruktur, die allen Radfahrenden die Möglichkeit gibt, sich sicher durch Bielefeld zu bewegen. Zu einer guten Infrastruktur gehören auch sichere Radabstellanlagen. Die Zeiten, in denen man seinen Drahtesel an die Hauswand angelehnt hat, sind vorbei. Moderne Fahrräder und vor allem E-Bikes müssen wirksam an festen Gegenständen gesichert werden. Fahrrad-Abstellbügel eignen sich dazu bestens. Weiterhin benötigen Pendler eine gute Abstellanlage – wir wünschen uns daher eine zeitnahe Umsetzung der Pläne zu einem Fahrrad-Parkhaus am Bahnhof.
Ruth: Wichtig ist außerdem, dass bei den Projekten für die Radinfrastruktur kürzere Planungs- und Bauzeiten sowie eine durchgängige Umsetzung angestrebt wird. Verbesserungen werden so schneller spür- und nutzbar. Kleinteilige Umsetzungen sind da eher hinderlich. Eine Stadt mit einer menschenfreundlichen Verkehrspolitik, in der Kinder und Jugendliche sicher und selbstständig mit dem Rad zur Schule fahren können, wäre ein großartiges Bielefeld in der Zukunft. Förderung des Radfahrens sehen wir auch als wichtigen Baustein in der Strategie „Klimaneutral 2030“ der Stadt Bielefeld.
Bernd: Apropos Zukunft – wir laden Bielefelder Unternehmen herzlich dazu ein, sich mit der Radförderung auseinanderzusetzen. Der ADFC zertifiziert fahrradfreundliche Unternehmen, die dem Zweirad in ihrer Unternehmenskultur nachhaltig Raum geben – für Mitarbeitende, Umwelt und eine gemeinsame Verkehrswende.
Habt ihr einen persönlichen Aufruf an alle Verkehrsteilnehmenden für ein gemeinschaftliches Miteinander?
Ruth: Ob zu Fuß, mit dem Rad, Auto oder Bus – wir alle teilen uns denselben Raum. Ein respektvolles und rücksichtsvolles Miteinander macht unsere Wege für alle sicherer und angenehmer. Schaut hin, nehmt einander wahr, gebt einander Raum – gerade in stressigen Momenten.
Bernd: Absolut! Der Kampf zwischen Rad und Pkw bringt niemandem etwas Positives. Nur gemeinsam klappt eine Verkehrswende.
Alle bundesweiten Ergebnisse im vergleichenden Überblick, mit verschiedenen Auswertungen und interaktiver Ergebnis-Landkarte:
https://fahrradklima-test.adfc.de/ergebnisse
Ergebnisse Bielefeld:
https://fkt2.team-red.net/pdf/2024/05711000_Bielefeld_FKT2024.pdf
Auskünfte der Stadtverwaltung Bielefeld über ihre Radverkehrsförderung:
https://fkt2.team-red.net/pdf/K2024/05711000_Kommunal2024.pdf